Sonntag, 10. Februar 2013

Postmoderner Labelwahnsinn II oder: Wie um alles in der Welt finde ich mich da zurecht?!

So, heute will ich einmal versuchen, ein bißchen Licht in diese Geschichte mit den Labels zu bringen. Das Produktsiegel (so der deutsche Begriff), das mir im Zusammenhang mit den dahinterliegenden Produktionsbedingungen am längsten bekannt ist, ist das fairtrade-Siegel (ein anderes bekanntes ist z.B. der Blaue Engel). Bei Produkten mit dem fairtrade-Siegel dachte ich lange Zeit, alle Inhaltsstoffe wären fair gehandelt und zwar von der Ernte der Rohstoffe über den Transport bis das Produkt dann fertig in unseren Läden steht. Unter „fair gehandelt“ habe ich mir vorgestellt, dass die beteiligten Arbeiter angemessene Löhne erhalten, Arbeitsrechte eingehalten werden und Kinderarbeit natürlich ausgeschlossen ist. Noch bevor ich anfing, mich bewusst mit diesen Dingen auseinander zu setzen, wurde mein Bild das erste Mal in Frage gestellt, als ich auf einer Eispackung mit dem fairtrade-Siegel las, dass mindestens 50 oder 60 % der Zutaten fair gehandelt seien. Nur 50 oder 60 % und trotzdem hat das Produkt das fairtrade-Siegel?!

Ich glaube, so geht es vielen von uns. Wir kennen ein Label und verbinden damit irgendeinen Inhalt, wissen aber nicht wirklich, was sich dahinter verbirgt und auch nicht, nach welchen Kriterien es vergeben wird. Um meine Frage vom vorigen Post (Was genau verbirgt sich hinter den verschiedenen Siegeln, was genau versprechen sie und was nicht?) beantworten zu können, gibt es meiner Meinung nach erstmal nur eine Möglichkeit:

Nachlesen.

Ein Label kann in einem Bild oder einem kurzen Slogan gar nicht darstellen, für welche Dinge es steht. Manchmal stehen auf einem Produkt ein paar Grundzüge über ein Label, aber sicherlich kann die Bedeutung bspw. auf einer Packung fairtrade-Orangensaft nicht in aller Ausführlichkeit erklärt werden. Klarheit schafft dann das Nachlesen auf der entsprechenden Homepage oder in Flyern, die manchmal ausliegen.

Gut. Wir haben also ein Produktsiegel entdeckt und uns auf dessen Website informiert, was es genau verspricht und was nicht. Nun bin ich mittlerweile ein sehr skeptischer Mensch geworden, wenn es um Versprechen von Herstellern geht, die ja in der Regel auch möglichst viel Geld verdienen wollen. Wie kann ich also sicher sein, dass ein bestimmtes Label nicht hauptsächlich eine gute Marketingstrategie ist, sondern auch wirklich hält, was es verspricht?

Die Christliche Initiative Romero, die sich ausführlich mit dem Thema des ethischen Konsums auseinandersetzt und auch viele gute Materialien dazu bietet, nennt 3 Kriterien, die die Glaubwürdigkeit und die Qualität eines Produktsiegels ausmachen:

  • „unabhängige Vergabe und Kontrolle“ des Siegels,
  • die „Frequenz und Qualität der Kontrolle“
  • und „soziale und ökologische Standards, nach denen zertifiziert wird“.

    (Zitate aus: WEARFAIR. Ein Wegweiser durch den Label-Dschungel bei Textilien. Christliche Initiative Romero, 2012, S. 6).

Wichtig ist, dass eine Vergabe- und Kontrollstelle unabhängig vom produzierenden Unternehmen ist. Nur so kann gewährleistet werden, dass die genannten Herstellungskriterien tatsächlich eingehalten werden und nicht z.B. zugunsten von niedrigeren Produktionskosten (und damit höherem Gewinn) umgangen werden. Kontrollen müssen außerdem regelmäßig und effektiv erfolgen. Verspräche ein Siegel u.a. die Einhaltung von grundlegenden Arbeitsrechten (z.B. Limitierung der Tagesarbeitszeit, Zahlung eines existenzsichernden Lohns, Recht auf Versammlungsfreiheit, ...) würde es kaum genügen, alle zwei Jahre einfach eine angekündigte Kontrolle in einer Produktionsstätte, meinetwegen in Bangladesch, durchzuführen. Für diese angekündigte Kontrolle könnten Bedingungen verschleiert und z.B. das Personal eingeschüchtert werden, damit ein positives Bild entsteht. Und natürlich spielen die sozialen und ökologischen Standards eine große Rolle, die ein Siegel verspricht. Die Kriterien sollten nachvollziehbar und transparent dargestellt werden. So beinhalten manche Umweltlabels wenige soziale Kriterien (z.B. der Blaue Engel) und umgekehrt (siehe das Label der Fair WearFoundation), was als Information klar und deutlich für den Verbraucher dargestellt sein sollte. Mit der Nennung der Fair Wear Foundation wären wir dann schon bei den Textilvereinigungen angelangt...aber das ist eine andere Geschichte :)

Mit diesem grundlegenden Wissen sind wir schon ganz gut ausgestattet, um uns besser im Wirrwarr der verschiedenen Labels und Siegel zurechtzufinden.
Was uns leider keiner abnimmt, ist der Aufwand, der damit verbunden ist und auch manche Frustration, weil Informationen oft nicht so leicht zugänglich sind, wie man das bräuchte. Glücklicherweise gibt es gute Materialien von Organisationen, die sich hier auskennen, wie das oben erwähnte und zitierte Booklet „WEARFAIR“ der Romero Initiative, das ich an dieser Stelle wärmstens weiter empfehlen möchte. Hat mir mein Leben definitiv fairschönert :)
Ich möchte euch außerdem ermuntern, einfach mal bei Firmen nachzufragen, wenn ihr auf unklare Informationen trefft. Die meisten antworten zügig und sehr freundlich.


So, viel Spaß beim Erkunden und Durchschauen des Label-Wahnsinns wünscht euch

Julia


PS: Ich freue mich über Kommentare zu euren Erfahrungen mit den Labels, Siegeln und was sonst damit verbunden ist!








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