So,
heute will ich einmal versuchen, ein bißchen Licht in diese
Geschichte mit den Labels zu bringen. Das Produktsiegel (so der
deutsche Begriff), das mir im Zusammenhang mit den dahinterliegenden
Produktionsbedingungen am längsten bekannt ist, ist das
fairtrade-Siegel (ein anderes bekanntes ist z.B. der Blaue Engel).
Bei Produkten mit dem fairtrade-Siegel dachte ich lange Zeit, alle
Inhaltsstoffe wären fair gehandelt und zwar von der Ernte der
Rohstoffe über den Transport bis das Produkt dann fertig in unseren
Läden steht. Unter „fair gehandelt“ habe ich mir vorgestellt,
dass die beteiligten Arbeiter angemessene Löhne erhalten,
Arbeitsrechte eingehalten werden und Kinderarbeit natürlich
ausgeschlossen ist. Noch bevor ich anfing, mich bewusst mit diesen
Dingen auseinander zu setzen, wurde mein Bild das erste Mal in Frage
gestellt, als ich auf einer Eispackung mit dem fairtrade-Siegel las,
dass mindestens 50 oder 60 % der Zutaten fair gehandelt seien. Nur 50
oder 60 % und trotzdem hat das Produkt das fairtrade-Siegel?!
Ich glaube, so geht es
vielen von uns. Wir kennen ein Label und verbinden damit irgendeinen
Inhalt, wissen aber nicht wirklich, was sich dahinter verbirgt und
auch nicht, nach welchen Kriterien es vergeben wird. Um meine Frage
vom vorigen Post (Was genau verbirgt sich hinter den verschiedenen Siegeln, was genau versprechen sie und was nicht?) beantworten zu können, gibt es meiner Meinung nach erstmal nur eine Möglichkeit:
Nachlesen.
Ein
Label kann in einem Bild oder einem kurzen Slogan gar nicht
darstellen, für welche Dinge es steht. Manchmal stehen auf einem
Produkt ein paar Grundzüge über ein Label, aber sicherlich kann die
Bedeutung bspw. auf einer Packung fairtrade-Orangensaft nicht in aller Ausführlichkeit erklärt
werden. Klarheit schafft dann das Nachlesen auf der entsprechenden
Homepage oder in Flyern, die manchmal ausliegen.
Gut.
Wir haben also ein Produktsiegel entdeckt und uns auf dessen Website
informiert, was es genau verspricht und was nicht. Nun bin ich
mittlerweile ein sehr skeptischer Mensch geworden, wenn es um
Versprechen von Herstellern geht, die ja in der Regel auch möglichst
viel Geld verdienen wollen. Wie kann ich also sicher sein, dass ein
bestimmtes Label nicht hauptsächlich eine gute Marketingstrategie
ist, sondern auch wirklich hält, was es verspricht?
Die
Christliche Initiative Romero, die sich ausführlich mit dem Thema
des ethischen Konsums auseinandersetzt und auch viele gute
Materialien dazu bietet, nennt 3 Kriterien, die die Glaubwürdigkeit
und die Qualität eines Produktsiegels ausmachen:
- „unabhängige Vergabe und Kontrolle“ des Siegels,
- die „Frequenz und Qualität der Kontrolle“
- und „soziale und ökologische Standards, nach denen zertifiziert wird“.(Zitate aus: WEARFAIR. Ein Wegweiser durch den Label-Dschungel bei Textilien. Christliche Initiative Romero, 2012, S. 6).
Wichtig
ist, dass eine Vergabe- und Kontrollstelle unabhängig vom
produzierenden Unternehmen ist. Nur so kann gewährleistet werden,
dass die genannten Herstellungskriterien tatsächlich eingehalten
werden und nicht z.B. zugunsten von niedrigeren Produktionskosten
(und damit höherem Gewinn) umgangen werden. Kontrollen müssen
außerdem regelmäßig und effektiv erfolgen. Verspräche ein Siegel
u.a. die Einhaltung von grundlegenden Arbeitsrechten (z.B.
Limitierung der Tagesarbeitszeit, Zahlung eines existenzsichernden
Lohns, Recht auf Versammlungsfreiheit, ...) würde es kaum genügen,
alle zwei Jahre einfach eine angekündigte Kontrolle in einer
Produktionsstätte, meinetwegen in Bangladesch, durchzuführen. Für
diese angekündigte Kontrolle könnten Bedingungen verschleiert und
z.B. das Personal eingeschüchtert werden, damit ein positives Bild
entsteht. Und natürlich spielen die sozialen und ökologischen
Standards eine große Rolle, die ein Siegel verspricht. Die Kriterien
sollten nachvollziehbar und transparent dargestellt werden. So
beinhalten manche Umweltlabels wenige soziale Kriterien (z.B. der
Blaue Engel) und umgekehrt (siehe das Label der Fair WearFoundation), was als Information klar und deutlich für den
Verbraucher dargestellt sein sollte. Mit der Nennung der Fair Wear Foundation wären wir dann schon bei den Textilvereinigungen angelangt...aber das ist eine andere Geschichte :)
Mit diesem grundlegenden Wissen sind wir schon ganz gut ausgestattet, um uns besser im Wirrwarr der verschiedenen Labels und Siegel zurechtzufinden.
Was uns leider keiner abnimmt, ist der Aufwand, der damit verbunden ist und auch manche Frustration, weil Informationen oft nicht so leicht zugänglich sind, wie man das bräuchte. Glücklicherweise gibt es gute Materialien von Organisationen, die sich hier auskennen, wie das oben erwähnte und zitierte Booklet „WEARFAIR“ der Romero Initiative, das ich an dieser Stelle wärmstens weiter empfehlen möchte. Hat mir mein Leben definitiv fairschönert :)
Ich möchte euch außerdem ermuntern, einfach mal bei Firmen nachzufragen, wenn ihr auf unklare Informationen trefft. Die meisten antworten zügig und sehr freundlich.
So,
viel Spaß beim Erkunden und Durchschauen des Label-Wahnsinns wünscht
euch
Julia
PS:
Ich freue mich über Kommentare zu euren Erfahrungen mit den Labels,
Siegeln und was sonst damit verbunden ist!
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